8- alltag finden

Nun geht’s schon in die zweite Woche, es ist wie ein neues Leben. Ein schnelllauf. Es ist mir alles begegnet in dieser ersten Woche. Tiefe Freude und Liebe und meine eigenen tiefsten Schatten und Ängste.

Für mich ist diese Zeit ein wahrer Lehrmeister.

Alles was ich bis jetzt über mich gelernt hab, begegnet mir erneut u bekommt neue Tiefen u auch neue Erkenntnisse u Zusammenhänge ploppen grad auf wie Schwammal (Pilze) in einem regenreichen, feuchten Jahr. Begonnen mit dem Lock down. Nicht arbeiten dürfen, wahrscheinlich für 4 Wochen. Ok, wie geh ich damit um, was mach ich draus, was brauch ich grad, was macht das mit mir? Das waren so die ersten Gedanken. Konto gecheckt, Anrufe getätigt, Stundungen beantragt u dann erst mal alles organisiert, was es zu organisieren gab.

Und jetzt? Urlaub? Ja, Urlaub.

Wer weiß, ob nach der ganzen „erzwungenen“ freien Zeit, das überhaupt noch möglich ist, ob ich mir das dann überhaupt leisten kann u wie es überhaupt weitergeht. Auch Gedanken, ob es nach dem allen meinen Salon überhaupt noch gibt, oder ob zum 10 jährigen dann auch schon wieder alles vorbei ist, waren da.

Also, erst mal genießen, positiv denken und das Beste draus machen. Leben im Hier und Jetzt, von Moment zu Moment. Das Wetter hat dazu ja geradezu eingeladen u ich hab mich erst mal voll dem Faulenzen u der Sonne hingegeben. Ausschlafen, ewig im Schlafanzug, keine Termine, treiben lassen, alles ohne Taktung von außen. Ich bin mehr und mehr in meinem eigenen inneren Takt angekommen u es hat sich ein ganz eigener Rhythmus eingestellt. Das fand ich schon faszinierend. Vor allem hab ich vor einiger Zeit in einem Gespräch mit einer Freundin darüber sinniert, wie es wäre nicht zu arbeiten. Also nicht nur Urlaub, sondern so frei zu sein, nicht arbeiten zu gehen, oder wie ein Dauerarbeitsloser. Was macht das mit einem, wie lebt man da, wird das langweilig? Irgendwie befand ich mich dann plötzlich genau in so einer Situation. Spannend. Das war schon irgendwie witzig u brachte mich zum grinsen. Pass auf was du dir wünscht oder denkst. Lach.

Auch schon seltsam was das Leben oft für Wege mit einem geht.

Gleichzeitig begann im internet eine Welle von Angeboten zu fließen. Lives, Webinaren, Meditation u Yoga. Jeder versuchte nun sein Business durch online Möglichkeiten weiter an zu bieten und Kurse um zu bauen. So bin ich auf meinem Balkon in der Sonne sitzend mit viel tollen Beiträgen gefüllt worden. Auch fachlicher Content war dabei u das war einfach magisch. Auch wenn ich den Input am liebsten gleich an einem meiner Kunden ausprobiert hätte. In den Momenten fehlte mir mein Wirken als Friseur schon sehr. Es gab auch einige Kollegen, die für Endverbraucher Anleitungen ins Netz gestellt haben, mit selber Haareschneiden für Kinder oder ähnliches. Obs wirklich hilfreich war, kann ich schlecht beurteilen, doch ich denke unser Beruf ist so viel mehr und ein paar Videos sind da nicht ausreichend. Aber wer weiß. Für mich stand ja Genießen erst mal an oberster Stelle.

Eine Kundin hat mir am Freitag vor der Salonschließung noch ein Buch geschenkt (die Hütte- Gespräche mit Gott) welches mich die ersten freien Tage auch sehr gefesselt hat u ich Dir nur wärmstens empfehlen kann. Eine tiefe Begegnung mit sich selbst u dem Thema Vergebung. Es bringt einem wirklich Frieden.

So verging Woche um Woche u ich bin komplett entschleunigt in dieser Zeit. Ich hab lang gehegte Projekte umgesetzt, Wohnungsputz betrieben u bin in meinem Zuhause u mir vollkommen versunken. Meine stabile Insel, Fern ab dem Trubel, der da draußen tobte. Ich bin immer mehr mir selbst begegnet u hab wieder Anteile in mir entdeckt, die ich schon lange nicht mehr so richtig wahrgenommen hab. Ich fühlte mich beschenkt u war sehr dankbar für dies Zeit. Ich wusste, es geht irgendwann wieder los u was auch immer passiert, ich kann was ich kann und bin wer ich bin. Es geht immer irgendwie weiter. Die Neuigkeiten u Spekulationen über eine Verlängerung der Schließung häuften sich zunehmend. Online Meetings mit dem Landesinnungsverband der Friseure, WhatsApp Gruppen Chats mit Obermeistern u Kollegen aus der Region u natürlich nicht zu vergessen facebook. Oh mein Gott!!! Was Friseure können, können nur Friseure u da mein ich ausnahmsweise nicht unsere Kreativität im Job, sondern alles lang u Breit reden u vieles noch viiieel komplizierter machen als es ist. Hilfe, Hilfe, Hilfe. So ein Segen ist das Internet dann doch auch wieder nicht, sondern auch eine große Plattform um sinnloses zu verbreiten. Manches war auch witzig u manches einfach nur zum Kopf schütteln. Doch dann stand es fest, aus 4Wochen werden 6. Ich hab mich ehrlich gesagt drüber gefreut, soviel freie Zeit wird es für mich im Arbeitsleben evtl. nie wiedergeben und mir hat das gefallen.

Dann gings schon immer mehr in die Planung, was muss im Salon verändert werden, wie läuft das finanziell. Preise rauf, aber um wieviel, Hygienepauschale, oder keine. Fragen über Fragen. Natürlich meldeten sich zunehmend auch meine Kunden für Termine auf sämtlichen Kanälen. Es ging eine Welle des Aufschwungs los. Es war oft schwierig, das was die Presse berichtete und sich so von allein verbreitete, dem gleich zu setzen, was der Realität an bestimmungen und gesetzlichen Vorgaben entsprach. Da gabs etwas Verwirrung bei einigen von uns. Ich hab auch immer häufiger Telefonseelsorge für Kunden betrieben, die es kaum noch aushalten konnten, ohne frische Farbe auf ihren Ergrauten häuptern oder der zu lang gewordenen Mähne. Es ist schon interessant, wie wichtig unser Äußeres uns ist. Ich bekam lustige Fotos von Kunden die mir ihre ach so vermeintlich schrecklichen Haare zeigten und beim einkaufen, bekam ich oft ein gesenktes Haupt zu Gesicht, wo vehement mit den Fingern auf den grauen Ansatz gezeigt wurde, damit ich das große Grauen auch wirklich sah. Ich bin ja durch und durch Friseur und verdiene damit meinen Unterhalt, doch ganz verstanden hab ich diese Dramen nicht. Sind wir wirklich so sehr mit uns im unreinen, dass wir uns so darüber definieren wie wir aussehen? Oder ist es in dieser ver- rückt-en Zeit einfach der letzte Versuch normalität und Kontrolle zu behalten? Das einzig beständige in unsrem Leben ist die Veränderung. Doch wir scheinen uns damit oft nicht auseinander zu setzten. Jetzt sind wir gezwungen, wie auch ich.

Nur eben nicht über meine Haare, sondern über meine Schattenseiten und meinen Salonalltag.

Es hieß dann, das müssen wir machen und dies sollen wir einhalten und nur noch so viel Kunden im Salon usw. Man, hat mich das genervt und zunehmend wars vorbei mit meinem inneren Seelenfrieden.  Heute war das oberstes Gebot und morgen Das und dann doch wieder „sollen heißt nicht Müssen“ usw. Als Obermeisterin, dann auch noch in der Vorbildfunktion und auch da in ständigem Austausch u natürlich mit einem offenen Ohr für meine Mitglieder. Dann endlich am Dienstag vor Neustart der gesetzliche Beschluss und am Freitag dann auch die Hygienevorgaben der Berufsgenossenschaft. Das war eine harte Nummer. Doch endlich war klar, wie wir wiedereröffnen dürfen, vorerst.

Bei jedem Einkauf, den ich in der Zeit vor der Wiedereröffnung gemacht hab, hat mich jedes mal mehr die Wut gepackt. Was wir alles erfüllen sollen, um wieder eröffnen zu dürfen. sogar bei meiner Physio wars verhältnismäßig entspannt, im Gegensatz zu unseren Auflagen. Aber gut hauptsache wieder arbeiten. Ich bin immer mehr in diese ganzen negativen Gefühle gerutscht und war nur noch am meckern und mosern.  Und dann natürlich diese Maske stundenlang im Gesicht. Das ist bis jetzt meine Größte Herausforderung. Irgendwann am Wochenende nach der ersten Woche wieder im Dienst, hab ich dann verstanden, was da alles in mir hochkam. Ich hab eben auch meine Kontrolle und Normalität verloren. Ich hab mir meine eigene Welt erschaffen in den 6 Wochen, fern ab von meiner bisherigen Welt.  Dann zurück, war es weder mein neuer liebgewonner Alltag, noch meinen alt gewohnter jahrelang praktizierter Alltag. Es war Neu, anders, ungewohnt. Das hat so ziemlich alles in mir hochgeholt. Das trotzige Kleinkind, die herrische Diva, die Revoluzzerin, die Bockige und auch das hysterische Opfer. Ein wahrhaft genialer Spiegel, der mir da vor die Nase gehalten wurde. Ich hab meine freie zeit vermisst, dass ich nur für mich verantwortlich war und ganz nach Pippi Langstrumpf „ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“ leben konnte. Stattdessen hab ich mich mit Mundschutz in einem zerrupften Salon mit mortz Auflagen und jeder menge Kundschaft und Zeitdruck, wiedergefunden. Von 0 auf 300 in unter einer sekunde. Das War ein Schock für mein System. Doch eben auch ein Geschenk.

Ich hab so viel erlebt, gelernt in den letzten Wochen und werde das auch noch in den nächsten Wochen. Ich glaub keine Zeit davor, hat mir mein Leben so viel Wertvolles auf dem Tablett serviert, wie diese letzten drei Monate. Ich bin gewachsen und hab jede Menge gelernt und ich bin mir sicher, es wird auch noch viel mehr dazu kommen. Es hat mein Denken verändert und auch mich, zum Guten. Auch das ist es, was diese „Krise“ bringt, gutes.  Wie zum Beispiel meinen Blog. Das war schon lange ein Wunsch und nun ist er geboren. Hairlich. Kunden die einen unterstützen, Aufmerksamkeiten die ich bekomme, Dank für die Unterstützung die ich leiste, für gute Worte, die ich gebe oder auch selber bekommen habe. Es entsteht eine neue Art von miteinander. Eine andre Art von Herzlichkeit. Es gewinnt an Tiefe und Ehrlichkeit. Es entwickelt sich eine neue Sprache, abgekoppelt von Mimik und Berührung. Eine wahrhaft mitfühlende Schwingung auf reiner Herzebene. Ganz frei von Kopf und Verstand. Ich widme mich nun dieser positiven Ausrichtung und will damit nun meinem Salonalltag die Kirsche aufsetzen und somit Friedensarbeit auf meine ganz eigene Art betreiben. Keiner weiß was noch kommt und wie lange wir hier auf Erden haben, also machen wir das beste drauf. Das wird auch jeden Fall mein Lebensmotto für diese Zeit.

 

Was ist dein Lebensmotto, wie waren deine letzten 3 Monate?

 

schreibt mir gerne in die kommentare, was deine erfahrungen sind oder was du gerne noch genauer wissen wollen würdest und folge mir auch auf facebook oder instagram

 

stylische grüße

 

deine kerstin

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